Palandt-Reform
Wider ein unverdientes Denkmal – über die Initiative „Palandt umbenennen!“
Vor gut einem Jahr haben sich junge Juristinnen und Juristen von verschiedenen Fakultäten in ganz Deutschland – unter ihnen auch zahlreiche Alumni der Bucerius Law School wie Marc Greitens, Alexander Mohrenberg, Ruben Rehr, Benjamin Fischer sowie der Verfasser selbst – zur Initiative „Palandt umbenennen!“ zusammengeschlossen, um auf die Geschichte des wohl wichtigsten deutschen Zivilrechtskommentars – dem „Palandt“ – sowie die unrühmliche Biographie seines Namensgebers Otto Palandt aufmerksam zu machen. Denn zwar ist „der“ Palandt im juristischen Ausbildungs- und Berufsalltag gegenwärtig. Wie das Werk zu seinem Namen kommt und welche Person sich dahinter verbirgt, ist jedoch einer breiteren Öffentlichkeit nicht bekannt.
Von Liebmann zu Palandt – die Geschichte des Beck'schen Kurzkommentars zum BGB
Die Geschichte des „Palandt“ beginnt im Berlin der 1920er Jahre, wo damals der Verlag des angesehenen jüdischen Juristen Otto Liebmann seinen Sitz hatte und mit einer neuartigen, prägnant-praxisorientierten Reihe von juristischen Kurzkommentaren großen Erfolg erzielte. Besonders erfolgreich war dabei der Anfang der 1930er Jahre erstmals erschienene Liebmann'sche Kurzkommentar zum BGB, der von Otto Loening, James Basch und Ernst Straßmann verfasst wurde. Nachdem jedoch 1933 die Macht an die Nationalsozialisten übergeben wird, sieht Liebmann sich zunehmenden Repressalien ausgesetzt und verkauft seinen Verlag an Heinrich Beck, der in der Folgezeit erheblich von dem Ankauf profitiert. Das gilt insbesondere für den von Loening/Basch/Straßmann verfassten Kommentar, der nun „Beck'scher Kurzkommentar BGB“ hieß und einen großen Marktanteil erreichte. Da Otto Loening und James Basch Juden waren und die Nazis Ernst Straßmann zumindest lange für einen „Halbjuden“ hielten, tauschte der Verlag die Autoren bald aus und ließ das Werk unter Anleitung eines Reichsjustizbeamten namens Gustav Wilke im Sinne des nationalsozialistischen Zeitgeistes überarbeiten. Kurz vor dem Erscheinen der 1. Auflage des jetzt „Wilke“ genannten Werkes starb Wilke aber 1938 bei einem Verkehrsunfall, sodass der Verlag gezwungen war, kurzfristig einen Ersatzherausgeber zu finden: Die Wahl fiel auf Otto Palandt.
„Arisierung“ der Reichsjustizausbildung unter Otto Palandt
Otto Palandt hatte sich zu diesem Zeitpunkt einen Namen als hochrangiger NS-Justizpolitiker und eifriger Reformator des NS-Juristenausbildung gemacht und war daher für den Verlag ein geeigneter „Markenbotschafter“ im Dritten Reich. Dem ist eine Blitzkarriere vorausgegangen: Im Kaiserreich und in der Weimarer Republik war Palandt als Richter tätig, der sich mit Vorliebe der Referendarausbildung widmete und sich politisch nicht betätigte. Nachdem er jedoch im Mai 1933 mit 56 Jahren in die NSDAP eingetreten war, gelangte er dank seiner guten Beziehungen zu einem seiner ehemaligen Referendare, dem Staatssekretär im Reichsjustizministerium und späteren Präsidenten des Volksgerichtshofs, Roland Freisler, über kurze Umwege auf den Posten des Präsidenten des Reichsjustizprüfungsamt. In dieser Funktion war Palandt nunmehr für die Juristenausbildung im gesamten Reich zuständig, die er im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie „airisieren“ sollte.
Diese Aufgabe ging Palandt mit großem Eifer an. So wurden unter seiner Ägide „Nicht-Arier“, Frauen (bis auf Ausnahmen) und politisch Andersdenkende aus Studium und Referendariat ausgeschlossen. Ferner ließ Palandt die nationalsozialistische Ideologie als „Grundlagenfach“ im Studium verankern und führte im Referendariat „Gemeinschaftsübungen“ parallel zur Stationsausbildung ein, um so die „Erziehung des Referendars im Geiste nationalsozialistischer Staatsauffassung und […] wahrer Volksgemeinschaft“ gewährleisten zu können. Ebenfalls auf Palandts Betreiben hin wird ein zweimonatiger „Lagerdienst“ eingeführt, den Referendare im Gemeinschaftslager „Hanns Kerrl“ bei Jüterborg in Brandenburg antreten müssen. Den Alltag in diesem Lager hat Sebastian Haffner in seinem berühmten Buch „Geschichte eines Deutschen“ eindrücklich beschrieben und das Lager dabei als „Drittes Reich in einer Nussschale“ apostrophiert.
Zuviel der Ehre – Palandt umbenennen!
Vor dem Hintergrund der skizzierten Schlüsselrolle, die Otto Palandt im NS-Justizwesen eingenommen hat, fordert unsere Initiative den Verlag C.H. Beck auf, die Ehrung seines Namens zu beenden und das Werk umzubenennen. Gleichzeitig soll dem Kommentartext ein historisch-kritisches Vorwort beigefügt werden, in dem auf die wechselhafte Geschichte des Werks hingewiesen wird. Mögliche Alternativnamen sowie weitere Informationen rund um die historische Entwicklung des „Palandt“ finden sich online. Potenzielle Unterstützerinnen und Unterstützer haben dort auch die Möglichkeit, sich der Initiative durch Unterzeichnung einer Petition anzuschließen.
Kilian Wegner (Jg. 2009)
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