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Was zu tun bleibt

Zur Umbenennung juristischer Standardwerke durch den Verlag C.H. Beck



Am 27. Juli 2021 verkündete Verleger Hans Dieter Beck: „In Zeiten zunehmenden Antisemitismus ist es mir ein Anliegen, […] ein Zeichen zu setzen“. Gemeint war die Umbenennung von „Palandt“ & Co. Das klang selbstlos. War es aber nicht. Tatsächlich handelte Beck unter politisch-wirtschaftlichem Druck. Erzeugt hatte diesen Druck die „Initiative Palandt umbenennen“ (IPU).

 

Studierendenzeitung, Präsidentin, heutige Alumni unserer Alma Mater waren beteiligt. Seit 2016 wirkten Kilian Wegner, Victor Thonke, Benjamin Fischer mit. Einige (Ruben Rehr, Alexander Mohrenberg, Felix Würkert, Marc Philip Greitens) stiegen früh ein, später aus. Andere (Jonathan Schramm) kamen hinzu. Jonathan hatte die Idee, „Liebmann“-Umschläge (dem Originaldesign nachempfundene Buchumschläge, welche der Name „Liebmann“ statt „Palandt“ schmückt) gegen Portospende u. a. an alle juristischen Fachschaften in Deutschland zu verschicken. Jonathan setzte die Idee mit dem FSR Hamburg um. Unsere Präsidentin Frau Prof. Boele-Woelki bezog deutlich Stellung, als der Verlag 2017 zu Verhandlungen an die Law School kam.

 

Auftakt war 2014 Marcs Forderung in der PuG: „Palandt war Nazi – kommentiert hat er nie. Der Palandt muss umbenannt werden!“ Dies las 2015 Doktorand Janwillem van de Loo (Universität Bremen). Als „kritischer Jurastudent“ war er Feuer und Flamme. Wir beschlossen, die IPU zu gründen. 2016 nahm sie ihre Arbeit auf. Die Universität Hamburg wurde mit „Jawi“, seinem Büro, den Kritischen Jurastudierenden Dreh- und Angelpunkt. Von der Helmut-Schmidt-Universität stießen früh Dana Valentiner und Sara Rödiger, aus Kiel Ghazzal Novid, aus Rostock Stefan Martini dazu. Von Norden aus ging die Initiative in die Fläche.

 

Die IPU war erfolgreich, weil sie hartnäckig, sehr gut vernetzt und die Zeit reif war. Von vornherein setzen wir auf „Multiplikatoren“, konnten nach kürzester Zeit u. a. den Bundesverband rechtswissenschaftlicher Fachschaften, die European Union of Jewish Students, den Deutschen Juristinnenbund und den Hamburgischen Anwaltverein gewinnen. Wichtige Plattformen druckten unsere Texte, insbesondere die JZ aus dem Mohr Siebeck Verlag Jawis Artikel „Den Palandt umbenennen“ (2017, S. 827 ff.). Er, Kilian und andere suchten die Fakultäten der Republik auf, hielten Vorträge. Die „Liebmann“-Aktion verbreitete sich wie ein Lauffeuer.

 

Ab 2017 griffen neben der engagierten SZ (Ronen Steinke) immer wieder große Medienhäuser wie FAZ, TAZ, BR, sogar ausländische Zeitungen das Thema auf. Die Online-Petition der IPU unterzeichneten mehr als 4.000 Menschen – darunter zahlreiche prominente Juristinnen und Juristen. Überzeugen konnte die IPU auch Justizministerinnen und Justizminister, zuletzt den bayerischen. 2020 wurde dank Victor der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, auf die IPU aufmerksam. 2021 übernahm dieser die Schirmherrschaft und bereitete ein Podium zum Thema vor. Diese Entwicklungen waren es, die den „ewigen Verleger“ Hans Dieter Beck (FAZ) zum Einlenken brachten.

 

Was bleibt zu tun? Die IPU war immer für Erinnern. C. H. Beck entschied sich für aktuelle Bearbeiter als Ersatz für die historisch belasteten Namensgeber: Aus „Palandt“ wird „Grüneberg“, aus „Schönfelder“ „Habersack“, aus „Maunz/Dürig“ „Dürig/Herzog/Scholz“ und aus „Blümich“ „Brandis/Heuermann“. Dass der Verlag die stille Ehrung eines Neu- und Alt-Nationalsozialisten wie Theodor Maunz endlich beendet, ist begrüßenswert. Allerdings verhindert C.H. Beck durch die Entscheidung für heutige Bearbeiter auch, dass als Juden oder Demokraten verfolgten, aber in Vergessenheit geratenen Juristinnen und Juristen ebenso prominent erinnert wird wie jahrzehntelang Repräsentanten der NS-Diktatur. So wäre der Ersatz Otto Palandts durch „[Otto] Liebmann […] die richtige Entscheidung gewesen“ (NRW-JPA-Präsidentin Halstenberg-Bornhofen auf dem Podium des sehenswerten Symposiums von BMJV und Antisemitismus-Beauftragtem vom 2. September). Der Verlag gibt jedoch lieber seine eigene jahrelange Argumentationslinie auf, Palandt & Co. sollten „als Erinnerung an das dunkelste Kapitel deutscher Rechtsgeschichte sichtbar bleiben“. Zynisch ist, dass der Verleger dies auch noch als „Zeichen gegen Antisemitismus“ verstanden wissen will; und den Blick vom historischen deutschen auf einen vermeintlich „zunehmenden“ heutigen Antisemitismus lenkt. Auch den Druck von außen, der zum Strategiewechsel führte, erwähnt er nicht. Die Kehrtwende des Verlags begrüßen wir, die Umsetzung aber nicht.



Insgesamt besteht weiterhin Anlass, sich gegen das Vergessen einzusetzen. Ansporn sollten auch das „Rosenburg-Projekt“ des BMJ und die am 10. Juni beschlossene Novelle des § 5a Abs. 2 des DRiG sein. Über ihr Fach reflektierende Juristinnen und Juristen sollten bedenkliche Kontinuitäten aufdecken und für die Zukunft daraus lernen. Innovations- und Reformbedarf gibt es im juristischen Ausbildungswesen ohnehin zu genüge. Die IPU setzt ihre Schwerpunkte neu: Sie wird das Thema Namenskontinuitäten weiterführen (u.a. durch weitere publizistische Beiträge), aber auch den Justizprüfungsämtern bei der Umsetzung des § 5a Abs. 2 des DRiG n.F. zuarbeiten und ein Forum bieten für den fachlich-wissenschaftlichen Austausch bezüglich der Verstrickungen von Juristinnen, Juristen und juristischen Institutionen in staatliches Unrecht und den daraus zu ziehenden Konsequenzen (z.B. in Form von Podien, Konferenzen u.ä.). Die IPU macht also weiter (bei Interesse an Mitarbeit gern melden). Wir Alumnae und Alumni sollten es auch.



In den vergangenen Jahren haben sich Marc Philipp Greitens, Victor Thonke (beide Jg. 2011) und Jonathan Schramm (Jg. 2014) alle im Rahmen der „Initiative Palandt umbenennen“ engagiert, um für eine solche Umbenennung zu werben und die Öffentlichkeit dafür zu gewinnen.


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