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Remote Online Notarizations – Deutschland als europäische Digitalisierungswüste

Jakobus Schuster über die Situation um Remote Online Notarizations in Deutschland



Remote Online Notarizations (RON), also der vollkommen digital Gang zu Notar:innen, werden weltweit zunehmend möglich. Selbst in den USA sind RON erst unter dem Eindruck der COVID-19-Pandemie in vielen Bundesstaaten möglich geworden. In Europa ist die EU-Digitalisierungsrichtlinie ein Treiber für RON. Die Digitalisierungsrichtlinie schreibt nämlich vor, dass ab Mitte 2022 die Gründung von GmbHs vollständig digital möglich sein muss. In vielen Mitgliedsstaaten wurde das zum Anlass genommen, Online-Verfahren bei Notar:innen rechtlich zu ermöglichen.

 

Auch in Deutschland ist es also ab 1.8.2022 möglich, GmbH-Gesellschaftsverträge digital beurkunden zu lassen. Daneben können auch Handelsregisteranmeldungen im online Verfahren beglaubigt werden. Ansonsten wird es keine Möglichkeit geben, notarielle Formerfordernisse über den digitalen Weg abzuwickeln. Der deutsche Gesetzgeber hat also genau das gemacht, was er nach der EU-Digitalisierungsrichtlinie muss. Im Übrigen wurde im Umsetzungsgesetz ein Verfahren für die online-Gründungen festgelegt, dass wohl insbesondere einen Zweck verfolgen dürfte: alles soll möglichst so bleiben, wie es ist.

 

Das System für Online-Gründungen darf ausschließlich von der Bundesnotarkammer entwickelt werden. Für die Identifizierung der Parteien ist nur der elektronische Personalausweis zugelassen, was dazu führt, dass nicht-Unionsbürger:innen vollständig von digitalen Terminen ausgeschlossen werden und auch für Unionsbürger:innen wohl zu großen Hürden führen wird. Das sind nur zwei der Punkte, die schneller Innovation im Online-Verfahren in Deutschland hinderlich sein werden.

 

Andere Mitgliedsstaaten sind im Bereich von RON deutlich innovationsfreundlicher. Das betrifft sowohl den Umfang der Vorgänge, die digital beurkundet / beglaubigt werden können als auch das Innovationspotenzial hinsichtlich der Technologie, die eingesetzt werden darf. Es ist also zu erwarten, dass Notar:innen aus dem europäischen Ausland weit mehr digitale Dienstleistungen anbieten können und das in einer Art und Weise, die auch hinsichtlich ihrer Nutzerfreundlichkeit dem deutschen Verfahren weit überlegen sein wird.

 

In meinen Augen ist der durch Protektionismus geprägte Ansatz des deutschen Gesetzgebers aber sehr kurzsichtig. Deutsche Notar:innen können in einigen Fällen im Wege der Substitution durch ausländische Notar:innen ersetzt werden. Daneben gibt es bilaterale Abkommen mit manchen Staaten, die Beglaubigungen von jedem weiteren Echtheitsnachweis befreien. Sind digitale Möglichkeiten in anderen europäischen Staaten weit überlegen, werden sich diese auch nicht durch Staatsgrenzen aufhalten lassen. 


Jakobus Schuster (Jg. 2013) ist Gründer der notarity GmbH. Die notarity GmbH entwickelt und betreibt eine Werbeplattform, auf der notarielle Dienstleitungen vollständig digital abgewickelt werden können.


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