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Of course you're gonna do it

Michael Grünberger: Über Lebenswege, Diversität und seine Vision für die Hochschule



Herzlich willkommen in Hamburg! Bevor wir auf Ihr neues Amt als Präsident der Bucerius Law School eingehen, möchten wir klein anfangen; genauer gesagt mit der Zeit, als Sie selbst klein waren. Können Sie sich noch an Ihren ersten Berufswunsch erinnern?

 

Gärtner. Ich bin auf einem Land aufgewachsen und wusste früh, dass ich kein Bauer werden wollte – zum Leidwesen meiner Großmutter, die mir ein kleines Kälbchen geschenkt hat, als ich acht Jahre alt war. Das sollte eigentlich das Grundkapital meines Bauerndaseins werden… Weil ich die Natur aber trotzdem immer geliebt habe, wollte ich stattdessen etwas mit Pflanzen machen und Gärtner werden.

 

Das ist jetzt vielleicht ein weiter Sprung, aber lassen sich Aspekte dieses Berufs auf Ihre heutige Tätigkeit übertragen?

 

Als Gärtner säht man Samen. Beim Hochschullehrer sind das stattdessen Gedanken, Ansichten und Fragestellungen – und nicht jede Saat geht auf! Diese Parallele sehe ich, auch wenn mir das erst in den letzten Jahren klargeworden ist.

 

Wie kamen Sie dann von der Gärtnerei zur Juristerei?

 

Über Bücher! Meine Mutter hat mir, als ich etwa sieben Jahre alt war, eine Enzyklopädie für ältere Kinder gekauft, die aus 20 Bänden bestand. In meinem Heimatort gab es drei Fernsehsender – dementsprechend schnell habe ich diese Bände durchgelesen. Im Laufe der Jahre haben sich dazu Novellen und Romane gesellt und meine Neugier auf Literatur wurde in Schulbibliotheken gestillt.

 

Ursprünglich wollte ich dann Volkswirtschaft studieren. Das habe ich auch ein Semester lang in Köln gemacht, aber sehr schnell gemerkt, dass sich die deutsche Volkswirtschaft einem Wandel unterzog, der in Amerika schon längst Realität war: in Richtung einer stark empirischen und mathematischen Operation. In Mathe war ich allerdings nie sonderlich gut (lacht). Die juristischen Vorlesungen, die man auch besuchen musste, haben mich aber fasziniert. Ich dachte mir: „Das ist doch viel spannender. Da finden die eigentlichen Verhandlungen über unsere Gesellschaft statt. Dort wird das Zusammenleben geregelt, um es produktiver, friedlicher und besonders gewinnbringend zu gestalten.“ Das hat mich so gereizt, dass ich nach dem ersten Semester zu Jura gewechselt bin.

 

Welches Berufsbild hatten Sie als Ziel im Kopf, als Sie das Studium begonnen haben?

 

Ich bin im weiteren Umfeld meiner Familie Erstakademiker und hatte keine wirkliche Vorstellung im Kopf. Dass es zum Beispiel Richterinnen und Anwältinnen gibt, wusste ich, aber für mich war das eine weit entfernte Welt. Deshalb habe ich mir ehrlich gesagt keine wirklichen Gedanken dazu gemacht, was ich einmal machen werde, sondern fand einfach das Fach spannend.

 

Im Studium bin ich dann studentische Hilfskraft an einem Lehrstuhl geworden – das war ein Glücksfall! So bekam ich die Möglichkeit, für mit vielen Menschen zusammenzuarbeiten, die viel weiter waren als ich und mir eine Perspektive von dem gegeben haben, was möglich ist. Nach meinem Examen wurde ich schließlich gefragt, ob ich promovieren möchte, und so hat sich mein Weg geformt. Dass ich das einmal machen würde, hätte ich nie gedacht!

 

Gab es in der Zeit bestimmte Zweifel, die Sie begleitet haben?

 

Während des Studiums gab es solche Momente natürlich. Als ich aber eine Klausur im Steuerrecht nicht bestanden habe, dachte ich mir: „Das muss am Steuerrecht liegen, nicht an mir!“ Davon habe ich fortan die Finger gelassen (lacht). Die wirklichen Zweifel kamen später beim Promovieren und Habilitieren. Ich habe das erste Promotionsverfahren abgebrochen, weil ich nicht wirklich geschrieben, sondern mehr mein Leben gelebt habe. Mein Betreuer war auch nicht in Köln und mir fehlte das Gegenüber, die persönliche Betreuung. Also dachte ich mir: „Du hattest deine Gelegenheit, hast sie aber nicht genutzt.“ Ich bin dann ins Referendariat gegangen.

 

Dann kam jedoch meine spätere Doktormutter nach Köln, die mich ermutigt hat, der Promotion eine zweite Chance zu geben. Ich sollte mir das Thema aussuchen, nur so würde es ihres Erachtens funktionieren. Diese Arbeit habe ich dann in eineinhalb Jahren geschrieben. Das Thema, die Betreuung und das Setting haben einfach gepasst und mir war klar: That's the last Chance. Weil ich mit meiner Doktormutter zusammen in dieser Zeit ihren Lehrstuhl aufgebaut habe, wurde mir bewusst, dass mir „Uni und das ganze Zeug“ auch Spaß macht. Das hat motiviert.



Bereuen Sie im Nachhinein, das erste Verfahren abgebrochen zu haben?

 

Überhaupt nicht. Das, was ich stattdessen in der Zeit verfolgt habe, war für mich und mein Leben sehr wichtig. Auch thematisch war der zweite Promotionsanlauf ein Glücksgriff: So bin ich ins Urheberrecht gekommen, das bis heute mein Lieblingsrechtsgebiet ist und ich kommenden Trimester auch hier unterrichten darf. Wenn man auf eine hoffentlich erfolgreiche Karriere zurückblicken kann, sind diese „Rückschläge“ – auch wenn sie zu der Zeit als solche empfunden werden – nicht mehr bedeutend.

 

Wenn Sie an diese Zeit zurückdenken: Was würden Sie Studierenden und Promovierenden raten?

 

Studienanfängerinnen in Jura sollten nicht zu sehr auf das hören, was die älteren Studenten sagen. In Bayreuth – ich bin gespannt, wie das hier sein wird – habe ich eine bestimmte Entwicklung genau gespürt, weil ich regelmäßig Vorlesungen für Erstsemester gegeben habe: In den ersten Wochen sind die Ideen noch frei und es wird diskutiert, doch im Laufe des Semesters werden diese jungen Köpfe eingefordert. Auf einmal kennen sie den Begriff „vollbefriedigend“. Da findet eine Verschiebung der Werte statt. Ich würde mir stattdessen wünschen, dass dieser Entdeckergeist der ersten Zeit erhalten bleibt.

 

Für Promovierende halte ich es für besonders wichtig, den Mut zu haben, das eigene Thema und eigene Methoden zu finden. Unangepasstes Denken bringt uns weiter – nicht die 25. Arbeit zum EIgentümer-Besitzer-Verhältnis! Wir brauchen Ansätze, die Rechtsdogmatik mit Soziologie, Ökonomie und Informatik verbinden. Als Doktorvater sehe ich meine Rolle als Bergführer, der die Aufgabe hat, seine Doktorand:innen durch dieses Gelände zu begleiten, sie in eine fruchtbare Richtung zu lenken und gemeinsam über wacklige, aber vielversprechende Brücken zu gehen.

 

Spannend! Für Sie folgte nach Ihrer Promotion ein LL.M.-Studium an der New York University. Was hat Sie an der Stadt und der Uni besonders gereizt?

 

Das dortige Leben. Ich war kurz zuvor im Referendariat in New York gewesen, insbesondere, um meine bis dahin sehr schlechten Englischkenntnisse aufzubessern. Ich wusste: Wenn ich etwas in meinem Leben erreichen möchte, muss mein Englisch besser werden. In der Wahlstation dort habe ich viel mehr Selbstvertrauen gewonnen und damit begonnen, mir auch Dinge zuzutrauen, die ich zuvor für mehr als eine Nummer zu groß für mich gehalten hätte. Ich habe mich in die Stadt verliebt und mir wurde klar, dass ich nicht nur meine Sprachkenntnisse, sondern auch mein juristisches Weltbild erweitern wollte. Daraufhin habe ich mich bei der Columbia und der NYU beworben und von beiden eine Zusage, von letzterer allerdings ein Vollstipendium erhalten. Das hat mir die Entscheidung leicht gemacht.

 

Hat Sie dieser Gedanke, Dinge könnten eine Nummer zu groß für Sie sein, zuvor auf Ihrem Lebensweg begleitet?

 

Als Kind einer alleinerziehender Mutter, die wirklich Großartiges geleistet hat, habe ich in der Handelsoberschule – übersetzt etwa ein Wirtschaftsgymnasium – durchaus gemerkt, dass ich etwas kann; meine erster Gedanke war aber trotzdem immer, nicht zu viel zu verlangen, nicht zu weit gehen zu wollen. Dieses Impostor-Syndrom hat mich stetig verfolgt. Es erstaunt mich immer wieder, wenn ich Kollegen – meistens sind das tatsächlich Männer – treffe, die solche Gedanken scheinbar überhaupt nicht haben. Das kenne ich von mir selbst nicht.

 

Gab es bestimmte Menschen auf Ihrem Lebensweg, die Sie darin bestärkt haben, sich nicht so fühlen zu müssen?

 

Während meines Studiums waren das Professorinnen und Professoren, die mir das Gefühl gegeben haben, dass meine Arbeit nicht ganz unbrauchbar ist. Eine große Rolle ist dabei sicherlich meiner akademischen Lehrerin Anja Steinbeck zuzuschreiben. Durch ihre unprätentiöse Art während meiner Promotion und Habilitation hat sie mir genug Raum gegeben und mich gleichzeitig immer wieder – wenn ich ein bisschen zu sehr in theoretische Konstrukte abgehoben bin – abgeholt und gesagt: „Erklär das mal für einfach denkende Leute wie mich.“ Das war ein großes Glück.



Haben Sie als Hochschullehrer etwas aus diesen Erfahrungen mitgenommen?

 

Erst einmal wirklich zuhören und in Vorlesungen diejenigen ermutigen, die sich nur manchmal melden und ganz zurückhaltend etwas sagen. Nach Klausuren habe ich in Bayreuth häufig Gesprächstermine mit Studierenden vereinbart, die gute Ergebnisse geschrieben haben, um ein Gespür für sie zu bekommen. Wenn es offene Stellen für studentische Hilfskräfte gab, habe ich dann vor allem die zurückhaltenden Studierenden ermutigt, sich zu bewerben. Als Hochschullehrer sollte man auch Möglichkeiten schaffen für die, die nicht ohne Weiteres an der Lehrstuhltür anklopfen und sagen: „Hey, ich bin hier, gibt's eine Stelle?“ Solche sind super, aber es gibt eben auch etwas Leisere, die eine Ansprache brauchen. Das war für mich damals sehr wichtig und das würde ich gern weitergeben. Ich war selbst so ein schüchterner Student, was sich inzwischen geändert hat… New York war wichtig (lacht)!

 

Kommen wir zu Ihrem Projekt „Diversität in Rechtswissenschaft und Rechtspraxis“. Wieso beschäftigen Sie sich so intensiv mit dem Thema?

 

Das hat zunächst damit zu tun, dass sich meine Habilitationsschrift mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung befasst. Ich habe mich in meiner Wissenschaft und Forschung sehr intensiv mit Nichtdiskriminierungsrecht in all seinen Facetten beschäftigt. Als ich noch nicht fertig habilitiert war, hatte ich einen ersten Vortrag dazu im Rahmen einer Bewerbung auf eine sehr spezifische Stelle in Mannheim: Man wollte eine Professur für Privatrecht und Recht der Gleichbehandlung schaffen und die Lehrstuhlinhaber:in sollte gleichzeitig auch Frauenbeauftragte der Universität werden. In diesem Rahmen habe ich erstmals über Diversität im Aufsichtsrat gesprochen – das war damals im Jahr 2010 schon ein großes Thema – und mich auch empirisch damit befasst. So habe ich Diversität zum ersten Mal wissenschaftlich begleitet und seitdem immer wieder versucht, es aufzugreifen.

 

Das wichtigste Projekt in diesem Rahmen war der Essay mit Mehrdad Payandeh, Nora Markard, Anna Katharina Mangold und Emanuel Towfigh, die interessanterweise alle in Beziehung zur Law School stehen und hier Relevanz haben. Wenn man einmal ein solches Projekt startet, zieht das immer weitere Anfragen nach sich – wie zuletzt der FAZ-Beitrag, den ich im Sommer geschrieben habe.

 

Sehen Sie noch weitere Herausforderungen aus dem angesprochenen Artikel, die sich konkret hier an der Law School stellen?

 

Das Berufsfeld Rechtsanwält:in in der Kanzlei ist nach wie vor ein spannendes und wichtiges, auch deshalb, weil dort – Stichwort Lieferkettengesetz – die Transformationsprozesse unserer Gesellschaft tatsächlich administriert und adaptiert werden. Mir wäre es nur wichtig, dass man auch die anderen Berufsfelder in den Fokus nimmt. Die Law School sollte als eine Hochschule des Rechts verstanden werden, die tatsächlich einen breiten Zugang ermöglicht und im Kern Verantwortungsträger:innen ausbilden möchte, die ein ethisches Grundverständnis davon mitbringen, was es bedeutet, heute Jurist:in zu sein: ob im öffentlichen Dienst, Ministerien, Gerichten oder NGOs. Ich hoffe, dass möglichst viele an dieser Hochschule ihre unterschiedlichen Blickwinkel nutzen.

 

Haben Sie die Law School vor ihrer Bewerbung auf das Amt des Präsidenten als eine solche breit aufgestellte Institution wahrgenommen? Was war Ihr Bild von der Hochschule?

 

Da gibt es mehrere Bilder. Im Rahmen meines Referendariats hatte ich 2002 mit einem Studierenden der Law School zu tun, der leider genau dem Klischee des Hamburger Schnösels entsprochen hat, wie ich ihn mir an der Law School damals vorgestellt habe (lacht). Die Hochschule war erst wieder präsent für mich, als es darum ging, wo ich als Wissenschaftler arbeiten möchte. Nachdem ich mich erstmals näher damit beschäftigt habe, wer bereits vor Ort arbeitete, war für mich klar: Bewerben würde ich mich. Durch Forschungskooperationen mit Anne Röthel und ein tolles Nachwuchsprojekt mit Herrn Kerkemeyer, Frau Buchholtz und Frau Croon-Gestefeld habe ich die Law School im Anschluss sehr viel besser kennenlernen dürfen und gemerkt, was für spannende Menschen hier aktiv sind.

 

Als es dann die Möglichkeit gab, sich auf das Präsidentenamt zu bewerben, wollte ich mir das unbedingt einmal anschauen. Das war anschließend ein Kennenlernprozess, der sehr positiv verlief. Ich fand es nach der Entscheidung der Gremien für mich auch wundervoll, dass die Hochschulleitung – insbesondere Katharina Boele-Woelki – mich seit Mai in wichtige Entscheidungen eingebunden hat. Das ist nicht selbstverständlich und zeigt, wie die Menschen hier dem Wohlergehen der Institution zuarbeiten, damit ein solcher Wechsel funktionieren kann.

 

Besagter Amtswechsel ist vollzogen, das Büro am Campus bezogen: Kommen wir zu Ihrer Vision für die Law School und Ihrer eigenen fachlichen Ausrichtung. Sie haben fortan eine Professur für responsive Rechtswissenschaft inne. Was bedeutet „responsiv“ in diesem Kontext für Sie?

 

Der Begriff kommt aus dem Amerikanischen. Im Kern geht es um eine Rechtswissenschaft, die soziologisch informiert ist und den „strictly legal point of view“ nicht als Ziel- und Endprodukt nimmt, sondern sich anschaut, was außerhalb passiert. Im Gegensatz zu eingebürgerten Blickwinkeln über den juristischen Tellerrand ist responsive Rechtswissenschaft radikaler und ambitionierter, aber auch fragiler. Sie besagt, dass wir nicht nur eine alternative Perspektive wie etwa die ökonomische wählen dürfen, sondern uns auch fragen müssen: Wie wirkt sich der Untersuchungsgegenstand auf soziale Systeme, interkulturelle Austausch und Innovationsprozesse aus? Es ist kennzeichnend, sich die Multilateralität der Blickwinkel – ob aus der Ökonomie, Soziologie oder Informatik – offenzuhalten.



Wo Sie von Radikalität und Ambition sprechen: Momentan keimen erneut erhitzte Diskussionen um die Reform der juristischen Ausbildung auf. Wie stehen Sie zu diesem Thema? Gibt es bestimmte Maßnahmen, die Sie besonders befürworten, oder finden Sie es super, wie es momentan läuft?

 

Das Staatsexamen hat großes Potenzial. Es ist lustig, dass ich das als Präsident einer privaten Hochschule sage, da es eigentlich gegen die Interessen einer solchen ist, aber: Es führt zu einer egalitären Ausbildung, was ein großer Vorteil des deutschen Systems gegenüber den USA ist, die viel auf Elite-Law Schools setzen. Ebendieser Vorteil wird aber sehr teuer erkauft. Katharina Boele-Woelki und ich haben uns noch im Sommer auf eine Tagung im Dezember verständigt, auf die wir Dekaninnen und Dekane aus ganz Deutschland einladen, um in einer kleinen Gruppe Tatgeneigter den Änderungsbedarf zu identifizieren und anzugehen. Ein Blick auf die Einschreibungszahlen für Staatsexamen-Studiengänge verrät: Wir haben ein Problem, diesen Studiengang attraktiv zu machen. Der größte Hebel für Veränderung im Prüfungswesen wäre die Möglichkeit, die Examensprüfenden besser zu schulen und sie darauf einzustimmen, was sie verlangen können und sollten – und was an den Bedürfnissen einer modernen Jurist:innenausbildung mittlerweile total vorbeigeht.

 

Gehört dazu auch, dass die Prüfungstätigkeit anders entlohnt wird?

 

Natürlich! Genau daran merkt man wieder, woran das Ganze erkranken wird: Eine Reform darf aus Sicht der Justizministerien nichts kosten. Das wird aber nicht funktionieren! Deshalb müssen wir eine breite Allianz zugunsten einer hervorragenden Ausbildung schmieden. Wenn wir eine solche erreichen wollen, kostet das Geld. Wir müssen die Prüfer:innen besser bezahlen, brauchen teilweise bessere Klausuren oder weniger Examenstermine, um die Prüfungsqualität und Originalität der Aufgabenstellungen zu gewährleisten.

 

Gerade die mündliche Examensprüfung ist wichtig, weil hier die größte Gefahr für einen Bis besteht. Dem kann vorgebeugt werden, indem schon nach dem Vorgespräch innerhalb der Prüfungskommission ein Briefing stattfindet, das unterschiedliche Verhaltensweisen der Prüflinge aufzeigt und im Verhältnis zu ihren tatsächlichen Leistungen relativiert. Wer zum Beispiel leise spricht, ist keine schlechte Juristin, sondern wahrscheinlich grundsätzlich etwas zurückhaltend.

 

Auch die Ruhetage sind wichtig. Eine Streichung ist aus Sicht der Prüfungsämter auch wieder ein reiner Kostenfaktor. Eine derart anstrengende Zeit soll auch noch durch Sparzwänge verschärft werden…

 

Das sind gute Punkte! Lassen Sie uns noch einen Blick in Ihre Vita werfen: Sie haben zuvor einige Rufe an andere Universitäten abgelehnt. Was hat Sie dann an der hiesigen Aufgabe besonders gereizt und Ihnen woanders gefehlt?

 

Das hier ist ein anderer Job. Zuvor war ich reiner Wissenschaftler und die Rufe, die mich erreicht haben, richteten sich auf wissenschaftliche Positionen. Nach fast 20 Jahren Wissenschaft habe ich aber gemerkt, dass ich Lust hatte, etwas grundlegend zu gestalten. Als Dekan in Bayreuth hat mir das bereits großen Spaß gemacht und die Gegebenheiten waren hervorragend. Ich musste dort nicht weg! Als sich dann aber die Chance ergeben hat, hier an die Law School zu gehen, und ich im Bewerbungsverfahren ein Gespür für die Hochschule und ihre Menschen bekommen habe, dachte ich mir: Das lohnt sich. Das mache ich.

 

Darüber freuen wir uns!

 

Ich mich auch (lacht)!

 

Ist dieser Gestaltungswille genau die Qualität, die einen guten Hochschulpräsidenten ausmacht?

 

Die Frage sollten Sie mir in meiner zweiten Amtszeit stellen, wenn es gut gelaufen ist (lacht). Zu einer guten Präsident:in gehört meines Erachtens eine Vorstellung davon, wohin eine Institution gehe könnte und sollte, aber auch die Bereitschaft, auf Anregungen und Kritik zu hören, wenn sie der gemeinsamen Sache dient. Mein bisheriger Eindruck hier war, dass eine besonders große Verbindung der Menschen mit der Hochschule besteht. Daraus ergibt sich auch eine größere Einigkeit um das Ziel, selbst wenn sich der Weg dahin unterscheiden sollte. Das ist eine gute Basis.



Worauf freuen Sie sich in den kommenden Monaten am meisten?

 

Darauf, dass ich eine Institution, die sich in de vergangenen 20 Jahren eine hervorragende Reputation aufgebaut hat, und auch mich selbst neu entdecken darf. Ich bin gespannt darauf, wie ich mit dieser neuen Aufgabe und Herausforderung umgehe: sich zu überlegen, wie die nächsten 20 Jahre gestaltet werden sollen, und herauszufinden, wie weit der Gestaltungswille reicht oder wo ich vielleicht zunächst auf Widerstand stoße. Mal schauen, welche Hörner ich mir abstoßen lasse und wo ich mich durchsetzen kann.

 

Ein schöne Schlusssatz! Zu guter Letzt haben wir noch ein paar Sätze für Sie vorbereitet, die Sie gern beenden dürfen. Aus meiner Heimat vermisse ich…

 

…die Berge.

 

Reisen möchte ich unbedingt noch nach…

 

Ich war gerade in Vietnam und das war so schön. …Laos, Kambodscha, Japan und irgendwann noch einmal nach Tansania.

 

Nachdem ich erfahren habe, dass ich auf das Amt des Präsidenten berufen wurde, habe ich…

 

…mit meinem Mann eine Champagnerflasche geöffnet und gefragt: „Soll ich's machen?“ Seine Antwort war: „Of course you're gonna do it.“


Pauline Cruse (Jg. 2019)

Magdalena Göbel (Jg. 2012)


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