Rudern an der Bucerius Law School – eine kurze Geschichte
1 – Ready!
Jetzt zu Weihnachten ist die Rudersaison zu Ende und die Rudergruppe blickt auf ihre Saison zurück. Viele Ruderinnen und Ruderer sammelten ihre ersten Ruder- und Regattaerfahrungen, für eine große Gruppe ging es auf internationale Regatten in Amsterdam, London und Istanbul oder zu nationalen Klassikern vom Fari-Cup auf der Alster bis zu den Deutschen Hochschulmeisterschaften. Und wer lieber oder nebenbei die Geselligkeit suchte, konnte endlich wieder Weihnachtsfeiern und Sommerfeste direkt im Sonnenuntergang an der Alster mitnehmen.
Gleichzeitig ist der Winter die Zeit, in der auf dem Ergo und im Kraftraum die Grundlagen für die neue Saison gelegt werden. Wahrscheinlich liebt kein Ruderer diese Zeit so wirklich, aber das gemeinsame Leiden auf dem Ergo ist mindestens so teambildend wie spontane Umtrunke nach einem Ergotest. Und wenn die Alster nicht nur so viel Eis führt, dass man nicht mehr rudern darf, sondern die Fläche auch begehbar wird, stehen vielleicht auch mal Kommilitonen auf der Alster vorm Trainingsraum, um mit Glühwein bestückt die Ruderer anzufeuern oder zu bemitleiden (so richtig weiß das niemand). Durch den Winter kommt man nur gut als Team.
2 – Ready!
Für mich besteht Rudern aus vielen, sich scheinbar widersprechenden Facetten. Ruhe und meditativer Fokus auf der einen Seite, Kraft und Dynamik auf der anderen Seite. Absoluter Fokus auf die eigene Leistung und Umwelt und im Mannschaftsboot dazu die ultimative Einbindung in ein Team, denn wenn einer einen Fehler macht oder weniger stark mitrudert, merken das alle.
Ein Mannschaftsboot in perfekter Harmonie von Dynamik, Koordination und Kraft durch die Wellen zu treiben, setzt – ebenso wie eine funktionierende Gruppe – eine gute Kommunikation voraus. Natürlich erfreut sich in der Rudergruppe WhatsApp großer Beleibtheit, um (wie wohl überall) für manche gefühlt zu viele Nachrichten von Regatten, dem Training im Auslandsstudium, Besuchen von ehemaligen Teamkollegen auf dem Oktoberfest und vieles mehr mitzuteilen. Für die Organisation der Gruppe bleiben trotzdem manchmal zu lange E-Mails nicht aus. Dabei weiß sicher jeder, der in dieser Gruppe je etwas organisiert hat, dass jede E-Mail gefühlt von maximal 10 % der Leute und von denen zu nur 10 % gelesen wird. Kommunikation im Boot ist im Gegensatz dazu optimalerweise kurz und knapp. Ein typisches Beispiel ist, dass vor Beginn jedes Trainings jeder von Platz 1 bis Platz 8 kurz und knapp durchsagt, dass sie oder er fertig mit den Booteinstellungen ist und jetzt loslegen kann.
3 – Ready!
Bis 2011 gab es zwei Rudergruppen in zwei Vereinen. Die Gruppen standen damit auch für das breite Spektrum, welches der Rudersport bietet. Während die eine Gruppe im Ruder-Club Favorite Hammonia primär Breitensport betrieb und die Hamburger Kanäle erkundete, war der zweite Teil in der Ruder-Gesellschaft Hansa und bestand neben ehemaligen Leistungssportlern aus solchen Ruderern, die sportlich ehrgeizig die zweite Wettkampfebene angreifen wollten.
Meine ersten Erfahrungen mit dieser Gruppe war unsere Teilnahme am Head of the River Race 2011 in London. Das intensive morgendliche Training möchte ich aus meiner Studienzeit ebenso wenig missen wie die Erfahrung, wie es sich anfühlt, wenn in London 400 Achter am Start liegen und ein Teil der Weltspitze an einem vorbeirudert, während man darauf wartet, dass der eigene Startblock dran ist und die körperlich und mental intensivsten 6,8 km anfangen, die die Themse zu bieten hat. Ein nicht unwesentlicher Erfolgsfaktor dort wie Jahre später auf dem Starnberger See mit einer anderen, starken Achtermannschaft ist stets ein guter Steuermann. Der muss wissen, welche Kurven man wie einleiten kann und wie man die Gegner gut auf Distanz hält. In beiden Fällen dürften diese erheblich zu den sehr guten (und im Vergleich zum jeweiligen Vorjahr verbesserten) Platzierungen beigetragen haben.
4 – Ready!
Seit dem Sommer 2011 gab es dann zunächst einen Wechsel des Rests der Gruppe aus der Ruder-Gesellschaft Hansa zum Ruder-Club Favorite Hammonia, da die Gruppe sich altersbedingt langsam auflöste und dort ein Achter für uns gespendet wurde. Im Laufe der kommenden Jahre wuchs die Gruppe dann nicht nur dank vieler neuer Ruderbegeisterter, die sich nicht einmal von morgendlichen Trainingszeiten abhalten ließen. Im Laufe der Jahre konnten wir mit Cornelius „Corny“ Grajecki sogar ein dortiges Vorstandsmitglied als Trainer für unsere Gruppe gewinnen. Dass dies zu einer erheblichen Steigerung der Ausbildungsqualität geführt hat, dürfte einer der entscheidenden Gründe für das stetige Wachstum der Gruppe sein, neben der Integration beider Gruppen und damit des gesamten Spektrums des Rudersports von Anfängertraining über Breitensport bis hin zur 2. Wettkampfebene.
5 – Ready!
Nachdem aus zwei Gruppen eine wurde, war es im Laufe der Jahre dann an der Zeit, diese weiter zu diversifizieren und aus einer Gruppe aus einem Club eine Gruppe aus zwei Clubs und in einem Verein zu machen. Seit 2018 besteht die Rudergruppe des Bucerius Law School auch aus Ruderinnen. Und derzeit haben wir nicht nur mit dem Ruder-Club Favorite Harmonia, sondern auch mit dem Hamburger und Germania Ruber-Club in Hamburg Kooperationen. In Laufweite der Law School gibt es damit gleich zwei Möglichkeiten, einen Einer oder ein Mannschaftsboot ins Wasser zu lassen.
Um allen Law Schoolern das Rudern, die Aus- und Fortbildung durch einen Trainer, den Start auf Hochschulmeisterschaften und finanzielle Unterstützung für internationale Regatten zu ermöglichen, haben wir dann 2018 den Bucerius Rowing Club e.V. gegründet. Für diese Ziele wird der Verein durch Spenden und ein tolles Sponsoring von Gleiss Lutz finanziert und erhebt keinen Beitrag. Darüber hinaus wollen wir mit dem Verein auch alle ruderbegeisterten Law Schooler zusammenführen, egal, ob sie gerade aktiv im Sport (und dafür zwangsläufig auch in einem „echten“ Ruderclub Mitglied sind) oder nur der Gruppe verbunden sein wollen.
6 – Ready!
Die Begeisterung neuer Law Schooler für den Rudersport und das lebenslange Rudern im Breitensport oder den Start auf Regatten setzten viel Engagement aus der Gruppe voraus, vor allem bei der Anfängerausbildung. Wenn die Unterstützung bei der Organisation von Regatten und dem Anfängertraining so vielfältig wird, dass beim Aufzählen auf der Weihnachtsfeier fast die Hälfte der Anwesenden aufstehen muss, ist das sicherlich ein Zeichen für die Breite des Engagements. Und auch wenn die Anfängerausbildung nur selten mit einem Sechster „im Steg“ statt „am Steg“ endet, so doch hoffentlich meistens mit vielen neuen Ruderbegeisterten.
Zwar ist die Gruppe dabei schon lange zu groß für Weihnachtsfeiern privat bei Mitgliedern zu Hause, in deren Rahmen versehentlich der Rotkohl an der neugestrichenen Wand verteilt wird oder es Einlagen am Klavier gibt. Dafür gibt es jetzt sogar zwei große Feiern, ein Weihnachtsfest und ein Sommerfest. Und wer dann noch nicht genug von der Gruppe hat, geht mit auf Wanderfahrt. Wobei sicher nicht bei jeder Wanderfahrt ein 100 Jahre alter Achter in Berlin unerwartet leckschlägt und der Mannschaft ein Abenteuer eigener Art beschert. Meistens sind es eher entspannte Touren auf der Schlei oder dem Ratzeburger See, die nur manchmal im absoluten Regenschauer, aber immer mit gutem Essen bei toller Aussicht enden. Und wenn die Boote falsch herum auf den Hänger aufgeladen wurden, werden sie einfach entspannt nochmal abgeladen; auch nach einer vielleicht zu ambitionierten Streckenplanung.
7 – Ready!
Zuletzt habe ich nach zehn Jahren die Leitung der Gruppe und des Vereins an die nächste Generation weitergeben dürfen. Und trotz Corona ist die Gruppe in den letzten Jahren weiter gewachsen. Das vergangene Jahr war dann sogar sportlich das ambitionierteste seit langem. Teams sind in Amsterdam und sogar wieder in London angetreten und ein Zweier hat es bis zu den europäischen Hochschulmeisterschaften geschafft. Auch die Gruppe wird dabei immer vielfältiger, sportlich wie persönlich. So viele Leute wie dieses Jahr Konten noch nie ans Wettkampfrudern im Rennboot herangeführt werden. Und auch das Ziel des lebenslangen Ruderns wird weiter verfolgt. So gibt es seit einem jähr jetzt das Projekt „Bucerius Old School“ (ja, Rudergruppen mit rudernden Alumnae und Alumni).
Damit herrschen in der Gruppe hoffentlich die besten Bedingungen, um in eine erfolgreiche und vielseitige Zukunft zu blicken. Die Arbeit unzähliger engagierter sport- und teambegeisterter Studierender, Alumnae und Alumni hat die Gruppe an diesen Punkt gebracht.
8 – Ready!
Es wird sicherlich noch das ein oder andere Hindernis und hoffentlich viele Herausforderungen, Siege und Partys in der nahen Zukunft geben. Genauso, wie jedes Jahr bei unserem traditionellen Rennen gegen die Rudermannschaft von Freshfields im Sommer auf der Alster deren Trainer und unser Schiedsrichter Christian Dahlke meistens erst einmal eine gefühlte Ewigkeit lang Paddelboote, SUPs und Segler aus der Regattastrecke bitten muss, bevor die Boote an den Start gehen können. Die Spannung steigt: Hoffentlich kommt die Bucerius eine halbe Bootslänge vor Freshfields ins Ziel! Danach grillen alle in der Abendsonne Hamburgs.
Aber vor dem Grillen liegen 300 m Rennen, deren Ausgang stets offen ist (noch liegen wir in der Gesamtwertung vorne, aber Freshfields verstärkt sein Team). Auch hier ist Rudern wie jeder Sport ein gutes Beispiel für das Jurastudium und vielleicht auch das Leben allgemein. Niemand weiß, was Klausuren oder Rennen bringen. Am Ende kann man sich nur im Winter auf dem Ergo und im Sommer mit dem Team im Boot gut und diszipliniert vorbereiten und dann sein Bestes geben, wenn es heißt:
Bucerius Ready – Attention – Row!
Philipp S. Poitiers (Jg. 2010)
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