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Digitalisierung darf kein Selbstzweck sein

Alumnus Sven Störmann berichtet, wie das neugegründete „Labor für Innovative Lehrmethoden“ mit dem Pandemiejahr umgegangen ist und welche Pläne er für die Zukunft hat


Im Februar 2020 gründete die Hochschule das „Labor für innovative Lehrmethoden“ (LIL) als Servicestelle für crossmediale Aufbereitung juristischer Inhalte. Einen Grundstein dafür legte der Alumni-Verein im Jahr 2014, als er der Hochschule ein eingerichtetes Videostudio geschenkt hat. Direktor des LIL ist Sven Störmann (Jg. 2010), der vom Verein im Vorjahr für sein jahrelanges Engagement mit dem Sonderpreis für besondere Verdienste um die Bucerius Law School ausgezeichnet wurde.


Sven, quasi über Nacht musste der Lehrbetrieb unserer Hochschule im Frühjahr in den virtuellen Raum verlegt werden. Was hat das für Dich und Dein Team bedeutet?

 

Nachdem sich die Hochschule entschlossen hatte, den Lehrbetrieb für die Studierenden im EVP aufrecht zu erhalten – alle anderen waren in der Klausurvorbereitungswoche – und die Klausuren durchzuführen, musste natürlich erst einmal eine Grundversorgung geschaffen werden. Da haben wir sicher Glück gehabt, weil wir als Hochschule Zoom und Wiseflow schon vorher genutzt haben. Es musste sich dann „nur“ noch eine Zoom-Taskforce finden – hier kann man Martin Meier und Jonathan Schramm (Jg. 2014) gar nicht genug für ihren Einsatz danken. Keine vier Stunden, nachdem der Campus geräumt wurde, startete die erste Zoom-Kleingruppe.

 

Wie ging es dann weiter?

 

Die „Grundversorgung“ stand und die erste Klausurphase war halbwegs überstanden. Wir konnten uns dann die Zeit nehmen, gründlicher zu überlegen, wie es bei uns an der Law School weitergehen soll. Außerdem haben wir natürlich bemerkt, dass bundesweit Studierende auf der Suche nach guten Lernmaterialien waren, weil viele Fakultäten einfach geschlossen haben. Deshalb haben wir uns entschlossen, weite Teile unserer digitalen Materialien frei zur Verfügung zu stellen. Wir haben dann also viele Vorlesungsaufzeichnungen und das digitale Fallbuch mit aktueller Rechtsprechung ebenso zugänglich gemacht wie Videos unserer Blende Learning-Projekte – beispielsweise zum Immobiliarsachenrecht und zum Verwaltungsrecht – die wir unter CC-Lizenz veröffentlicht haben.

 

Würdest Du sagen, die Pandemie hat der digitalen Lehre zum großen Schritt nach vorne verholfen?

 

Das würde ich differenzierter betrachten. Sicherlich hat die Pandemie der „Late Majority“ unter der Innovation Diffusion Kurve einen ordentlichen Schubsen nach vorne gegeben – es passieren Dinge, die man vor einem Jahr für absolut unmöglich gehalten hätte. Die Digitalisierung ist durch die Pandemie sehr viel mehr in die Breite gegangen, aber nicht unbedingt in die Tiefe. Uns geht es aber weniger um Digitalisierung als Selbstzweck, sondern um Innovation in der Lehre allgemein. Dass Digitalisierung in so einem Innovationsprozess tendenziell an Bedeutung gewinnt, ist zu erwarten, aber Papier einfach nur durch Bildschirme zu ersetzen, ist nicht unser Anspruch.

 


Blended Learning-Veranstaltung im Urheberrecht

Das Projekt ist im Sommer 2020 als unmittelbare Reaktion auf den Lockdown entstanden.

Professorin Dr. Linda Kuschel wollte ihre Zoom-Vorlesungen möglichst interaktiv gestalten und auch in der Länge begrenzen.

Deshalb hat sie gemeinsam mit dem Learning Innovation Lab ein „virtuelles“ Blendet Learning-Konzept erstellt,

das linear vermittelte Inhalte in insgesamt neun Videos ausgelagert hat. Das Projekt wurde sehr großzügig

von der Claussen-Simon-Stiftung – einer langjährigen Förderin der Hochschule – unterstützt. Alle Videos finden sich hier.


Worum geht es Euch dann?

 

Die Herausforderung wird sein, alles, was wir als Reaktion auf die Pandemie getan haben, genau zu analysieren und zu überlegen, was wir daraus für die juristische Ausbildung lernen können. Etwas allgemeiner würde ich sagen: Nach 20 Jahren muss sich die Law School wieder mehr ihrer Innovationskraft besinnen – das finde ich auch persönlich als Alumnus sehr wichtig. Wie Ruben so schön sagt: „An der Law School sind die Wege kurz und die Türen offen.“ Das müssen wir nutzen und mutig Neues wagen, was entweder krachend scheitert oder – davon bin ich überzeugt – die juristische Ausbildung einen großen Schritt voranbringt. Da ist natürlich auch der Input von Alumnae und Alumni, der uns erfreulicherweise regelmäßig erreicht, von unschätzbarem Wert.

 

Eigentlich hatten Du und Dein Team für 2020 vermutlich ganz andere Vorhaben auf der Liste?

 

Klar, wem ging das nicht so? Gerade als neugegründete Institution haben wir uns natürlich viel vorgenommen. Das Thema Wissenschaftskommunikation ist mir z.B. ein großes Anliegen und nur wegen Corona etwas weiter nach unten gerutscht. Gerade als Stiftungshochschule fühlen wir uns verpflichtet, unser Wissen zu teilen und das, was an der Fakultät erforscht wird, einem breiten Fach- und Laienpublikum zugänglich zu machen. Zusammen mit Jonathan Schramm haben wir mit der Videoreihe „Fofftein“ da ein erstes Projekt sehr erfolgreich gestartet. Darin stellen Mitglieder der Hochschule und Alumni Themen aus ihrem Forschungs- oder Arbeitsbereich, die in der Tagespresse auftauchen, so vor, dass sie auch Laien verstehen können. So zum Beispiel strafrechtliche Fragen in Zeiten von Corona oder die rechtliche Einordnung von Cum-Ex – hier ist das Ziel, einen Beitrag zu sachlicher Diskussion gerade in sozialen Medien zu leiten. Natürlich haben wir aber auch originäre Lehrthemen auf der Liste gehabt. So wollten wir z.B. gemeinsam mit Prof. Dr. Nacken von der RWTH Aachen ein Virtual Reality-Seminar durchführen und zusammen mit PD Dr. Malte Persike – ebenfalls von der RWTH – schauen, ob und wie Learning Analytics in der juristischen Ausbildung genutzt werden kann. Auch die Videokorrektur wächst rasant.

 


Examensvorbereitung im Arbeitsrecht

In 13 Videos erläutern Professor Matthias Jacobs und Moritz Nickel (Jg. 2012) die examensrelevanten Themen aus dem Arbeitsrecht. Die Videoreihe war die erste im Examensvorbereitungsprogramm und ist so konzipiert, dass sie die allernötigsten Grundlagen auch ohne Vorlesung abdeckt – die Videos können so auch als kurzer „Refresher“ vor dem Examen genutzt werden. Alle Videos finden sich hier.


Und welches Projekt habt ihr im neuen Jahr vor?

 

Als nächstes wollen wir grundlegend das Digitale Skript angehen und freuen uns sehr darüber, dass mit Alexander Ulmer (Jg. 2009) ein Alumnus an die Hochschule zurückkehrt, um dieses Projekt zu leiten. Skripten gibt es zwar seit vielen Jahren digital, aber wenn man ehrlich ist, wurde da eben (fast) nur das Blatt Papier durch einen Bildschirm ersetzt. Dass viele Studierende darin wenig Mehrwert sehen und dann doch lieber ein gedrucktes Skript haben möchten, auf dem es sich leichter markieren und annotieren lässt, wundert da wenig.

 

Wie sieht ein innovatives digitales Skript aus?

 

Die Schwierigkeit besteht darin, dieses seit hunderten Jahren etablierte Format so zu transformieren, dass seine Stärken erhalten bleiben und so viel Mehrwert geschaffen wird, damit Studierende sich freiwillig und gern für die Nutzung entscheiden. Oft vergessen wir dabei leider, dass auch die Autorinnen und Autoren von Lernmaterialien eine gleichwertige Nutzergruppe sind. Deren Bedürfnisse wollen wir ebenfalls abdecken, um am Ende eine Anwendung zu haben, die auch die Lehrenden lieber nutzen und besser nutzen können als MS Word.

 

Neben dem Digitalen Skript sind die eingangs schon erwähnten Projekte natürlich nur aufgeschoben und nicht aufgehoben. Learning Analytics, Blendet Learning-Projekte mit Professor Jacobs in ZPO und Zwangsvollstreckungsrecht, mit Professor Kämmerer im Staatsorganisationsrecht und mit Professor Pünder im Staatshaftungsrecht … die Liste ließe sich beliebig fortsetzen und uns wird sicher nicht langweilig.


 Neben den Inhalte kümmert sich das LIL zusammen mit der IT-Abteilung und Martin Meier auch um die Optimierung der Räumlichkeiten für die Lehre – umso mehr in diesen Zeiten. Als erstes wurde deshalb im Sommer der Heinz-Nixdorf-Hörsaal mit modernsten Array-Mikrofonen, zusätzlichen Displays, Zoom Zooms-Software und Autotracking-Kameras ausgestattet, damit auch in hybriden Lernsettings alle Beteiligten einander gut hören und sehen können und das Lernerlebnis so normal wie möglich ist. Ähnliches wurde auch im Zelt auf dem Campus, dem Auditorium und dem Moot Court umgesetzt; mit 1.15 und 0.59 sind auch zwei Seminarräume „im Bau“.


Christoph Fuchs (Jg. 2010)


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